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In der Schweiz waren Ende 2020 684’557 Menschen in Arbeitnehmenden-Verbänden organisiert. All diese Menschen bezahlten einen Mitgliederbeitrag, welcher je nach Verband sehr unterschiedlich ausfallen und bemessen werden kann. In diesem Artikel gehe ich auf die unterschiedlichen Differenzierungsmerkmale der Mitgliederbeiträge ein und beleuchte die Vor- und Nachteile der einzelnen Beitragssysteme. Zuletzt vergleiche ich die Mitgliederbeiträge mit der Mitgliederentwicklung von ausgewählten Arbeitnehmenden-Verbänden. Weitere Details zu den Mitgliederbeiträgen finden sich in einem früheren Blogartikel hier

Übersicht über die Mitgliederbeitragssysteme von Schweizer Arbeitnehmerverbänden

Grafik 1: Differenzierungsmerkmale von Mitgliederbeiträgen in Schweizer Arbeitnehmerverbänden. © SBN Services

Differenzierungsmerkmale

Nach Untersuchung der Beitragssysteme von mehr als zwanzig Arbeitnehmenden-Verbänden gibt es grundsätzlich drei Kriterien, mit welchen die Mitgliederbeiträge festgesetzt werden:

  • Jahres- bzw. Monatseinkommen des Mitglieds
  • Beschäftigungsgrad des Mitglieds
  • Einheitspreise für alle Mitglieder

Bei der Bemessung nach Einkommen wird in der Regel der Bruttolohn ohne Zuschläge als Berechnungsgrundlage verwendet. Alle untersuchten Verbände legen einen Mindestbeitrag fest. Mit Ausnahme der Gewerkschaften SIT und Kapers kennen alle Verbände einen Höchstbeitrag bzw. einen Deckel. Die Unia lädt hingegen besserverdienende Mitglieder ein, aus Solidarität zu den einkommensschwächeren Mitgliedern den Beitrag freiwillig auf 1% ihres Einkommens zu erhöhen. Wie oft dies geschieht, entzieht sich meiner Kenntnis.

Die Mitgliederbeiträge nach Einkommen sind mehrheitlich degressiv proportional zum Lohn. Dies bedeutet, dass Mitglieder mit einem tiefen Einkommen prozentual zu ihrem Lohn mehr bezahlen als Mitglieder mit höheren Salären. Auch hier bilden SIT und Kapers eine Ausnahme. Ihre Mitgliederbeiträge sind über alle Einkommenskategorien prozentual gleich hoch und entsprechen 0.7% des Salärs ihrer Mitglieder. In der Schweiz fand ich keinen Verband, welcher proportionale Mitgliederbeiträge mit einem Deckel bzw. Höchstbeitrag praktiziert.

Graifk 2: Die Mitgliederbeiträge von Unia, KV Schweiz und der Genfer Gewerkschaft SIT im Vergleich. Die prozentuale Belastung der Beiträge pro Jahreseinkommen sinkt bei Unia und KV während sie bei SIT konstant bei ca. 0.7% vom Einkommen bleibt. © SBN Services

Mindestens fünf Verbände differenzieren ihre Mitgliederbeiträge aufgrund des Beschäftigungsgrads ihrer Mitglieder. Die Unterteilung in Kategorien ist hier ebenfalls sehr unterschiedlich. Der Lehrerverband LCH hat mehrere kantonale Sektionen, welche nach unterschiedlichen Kriterien die Mitgliederbeiträge bemessen. Einige wie die Sektion Bern bemessen die Beiträge nach Einkommen. Andere unterteilen die Aktiven nach Beschäftigungsgrad. Die Sektion Zürich bietet zwei Kategorien an (1 bis 40%, 40 bis 100%), während es bei der Sektion Baselland deren drei sind (0 bis 33%, 34 bis 66% und 67 bis 100%). Der SBK wendet schweizweit drei Kategorien (0 bis 10%, 11 bis 50% und 51 bis 100%) an. Der SEV unterteilt seine Mitglieder in zwei Kategorien (0 bis 50%, 50 bis 100%), wie auch der PVB, jedoch mit einer anderen Abstufung (0 bis 75%, 75 bis 100%). Transfair wendet branchenspezifische Tarife an. Bei der Unterteilung nach Beschäftigungsgrad werden vier Stufen angewendet (0 bis 20%, 20 bis 40%, 40 bis 60%, 60 bis 100%).

Schliesslich gibt es Arbeitnehmenden-Verbände, welche keine differenzierten Mitgliederbeiträge kennen. Sie wenden Einheitspreise an, womit alle Mitglieder unabhängig von ihrem Einkommen oder Arbeitspensum den gleichen Betrag bezahlen. Die Mitgliederbeiträge von Verbänden mit einem solchen Beitragssystem sind im Durchschnitt oft deutlich günstiger als die ihrer Konkurrenten.

Grosse Unterschiede bei den Spannweiten

Die untersuchten Beitragssysteme unterscheiden sich auch nach den Spannweiten zwischen Mindest- und Höchstbeitrag. Bei den Verbänden mit einem Einheitspreis ist diese gleich Null. Am grössten sind sie theoretisch bei den Gewerkschaften SIT und Kapers, welche keine Höchstbeiträge vorsehen. Unter den Verbänden mit einem Deckelbeitrag hat der VPOD die grösste Spannweite. Der Unterschied zwischen dem monatlichen Mindest- und Höchstbeitrag beträgt beinahe 80 Franken (CHF 79.60 in der Sektion Bern). Die geringste Spannweite weist der Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland LVB (eine Sektion des LCH) auf. Dort bezahlen die Mitglieder mit den hohen Einkommen nur CHF 14.65 mehr pro Monat als ihre Kolleg:innen mit den geringsten Einkommen. Die Spannweiten von insgesamt acht Verbänden sind in der Grafik 3 ersichtlich.

Grafik 3: Die Spannweiten der monatlichen Mitgliederbeiträge in Franken von acht der zehn grössten Schweizer Arbeitnehmendenverbänden. Beim KV Schweiz bezahlen alle aktiven Mitglieder den gleichen Beitrag, bei den anderen sieben Verbänden gibt es verschiedene Beitragskategorien. © SBN Services

Haben die Mitgliederbeiträge einen Einfluss auf die Mitgliederentwicklung?

Gibt es ein Mitgliederbeitragssystem, welches sich positiv auf die Mitgliederentwicklung auswirkt? In der Grafik 4 sind die prozentualen Unterschiede der Mitgliederbestände zwischen den Jahren 2008 und 2020 ausgewiesen (weitere Informationen dazu im Blogartikel zur Mitgliederentwicklung). Drei Arbeitnehmenden-Verbände weisen positive Zahlen aus. Der LCH erfreut sich einem Mitgliederzuwachs von 15%. Seine Beiträge sind je nach Kanton abhängig vom Beschäftigungsgrad oder vom Einkommen. Kapers mit einem sehr sozialen Beitragssystem gehört mit einem Plus von 13% ebenfalls zu den wenigen Gewinnern in dieser Übersicht. Der dritte Verband mit einem Mitgliederwachstum, die Hotel & Gastro Union, wendet schliesslich einen Einheitspreis an.

Mitgliederentwicklung in Abhängigkeit zu den Mitgliederbeiträgen

Grafik 4: Die prozentuale Mitgliederentwicklung zwischen den Jahren 2008 und 2020 in Abhängigkeit zum Mitgliederbeitragssystem. © SBN Services

Aufgrund der Verteilung der Mitgliederentwicklung in dieser Grafik lässt sich kein direkter Zusammenhang zwischen Mitgliederbeiträgen und Mitgliedergewinnung feststellen. Es reicht eben nicht, nur eine günstige Mitgliedschaft anzubieten, um Erfolg zu haben. Das Beispiel der Angestellten Schweiz veranschaulicht dies sehr gut. Im Vergleich zu seiner Konkurrenz (Unia, Syna, KV Schweiz) bietet der Angestelltenverband der Maschinen- und Pharmaindustrie die weitaus günstigste Mitgliedschaft an. Gleichzeitig weisen die Angestellten Schweiz mit einem Minus von 38% den grössten Mitgliederverlust  aller hier aufgelisteten Verbänden auf.  Teure Arbeitnehmenden-Verbände wie Kapers, VPOD und Unia verzeichnen auf der anderen Seite positive bis gering negative Entwicklungen. Zusammenfassend gesagt muss der Marketing-Mix stimmen, und nicht nur der Preis. 

Quellen

Welches Beitragssystem erachten Sie als als fair und angebracht für einen Arbeitnehmenden-Verband? Diskutieren Sie mit und benutzen Sie die folgende Kommentarfunktion.

 

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